Elektroauto und seine Mythen

Denn zum einen handelte es sich bei der Studie von 2017 um eine Metastudie, die andere Studien auswertet und zusammenfasst. Die gesichteten Forschungsergebnisse waren allerdings unterschiedlich alt und hatten zudem unterschiedliche Untersuchungsschwerpunkte, so dass die ermittelten Daten nicht unbedingt direkt vergleichbar waren.

2019 veröffentlichte das IVL dann eine Anschlussstudie, die die Ergebnisse von 2017 auf den neuesten Stand gebracht hat. Neben Studien von ForscherInnen wurden hier auch die Ökobilanzen von Autoproduzenten einbezogen. Innerhalb dieser zwei Jahre ist der durchschnittliche CO2-Ausstoß in der Produktion der häufigsten Batterietypen deutlich gesunken.

Die Studie von 2017 errechnet eine CO2-Produktion von 150-200 kg CO2 pro kWh. Zwei Jahre später liegt der Wert nur noch bei 61-106 kg CO2/kWh im Durchschnitt, maximal aber 146 kg/kWh. Das heißt selbst der Maximalwert ist geringer als die Werte der Vorstudie.

Wie ökologisch sind Elektroautos wirklich?

Wie ökologisch sind Elektroautos wirklich?

Elektro-Autos gelten als umweltfreundlich, weil ihr Fahr-Wirkungsgrad hoch ist. Doch das Bild trügt. Nimmt man den gesamten Lebenszyklus in den Blick, ist ein Elektroauto unter Umständen sogar weniger umweltfreundlich als konventionell angetriebene Autos.

Betrachtet man nur den Fahrvorgang, sind mit Benzin und Diesel betriebene Autos weniger umweltfreundlich als Elektroautos. Sobald der Motor läuft, entweichen ihrem Auspuff CO2-Emissionen, die den Klimawandel beschleunigen. Im Gegensatz dazu gelangt man im Elektroauto von A nach B, ohne Abgase in die Luft zu pusten. Auf diesem Argument insistieren die Elektromobilitätshersteller, um der Notwendigkeit eines rasanten Umbaus des globalen Fahrzeugparks Nachdruck zu verleihen.

Doch die Argumentation der Elektromobilitätslobby ist unvollständig. Denn sie blendet die Vorgeschichte der zwei unterschiedlichen Antriebssysteme vor deren Einbau ins Fahrzeug aus. Bis ein Motor durch Drehen des Zündschlüssels in Gang gesetzt wird, muss er nämlich in aufwendigen Verfahren erst gebaut werden. Wie gross der ökologische Fussabdruck eines Fahrzeugantriebssystems von der Konstruktion über den effektiven Mobilitätseinsatz bis hin zur Verschrottung tatsächlich ist, kann daher nur eine sogenannte Lebenszyklusanalyse (LCA) beantworten.

Spezialisiert auf die Erstellung solcher LCA für unterschiedliche Technologien und Produkte ist das Schweiz-Kanadische Jungunternehmen Quantis, gegründet im Jahr 2009 von Wissenschaftlern der ETH Lausanne und der École Polytechnique in Montréal. Unter der Leitung von Rainer Zah, Geschäftsführer von Quantis Schweiz/Deutschland mit Sitz in Zürich, wurde kürzlich eine umfassende Studie mit dem Titel «Chancen und Risiken der Elektromobilität in der Schweiz» durchgeführt. Fazit: Zur nachhaltigen Senkung der CO2-Emissionen auf der Strasse ist die Elektromobilität nicht das allmächtige Wunderheilmittel. Sie ist nach dem heutigen Stand der Technik Teil der Lösung, aber auch Teil des Problems.

Erhöhter CO2-Ausstoss in der Produktion von Elektromotoren

Wie ist diese ambivalente Beurteilung zu verstehen? Sie hat mit den unterschiedlichen Phasen des Lebenszyklus zu tun, die Verbrennungsmotoren und batteriebetriebene Elektromotoren durchlaufen. Wie erwähnt übertrumpft das Elektroauto den Benziner oder Diesel bezüglich Wirkungsgrad beim Fahren, und zwar um das Drei- bis Vierfache. Der Benziner kann nur 20 % des Treibstoffs in Bewegungsenergie ummünzen, die restlichen 80 % verpuffen in Form von Abgasen und Abwärme, mit der wenigstens im Winter noch die Heizung im Auto betrieben werden kann. Beim Elektromotor ist das Verhältnis umgekehrt. Vier Fünftel der Batterieleistung wird direkt in Bewegungsenergie zur Fortbewegung umgesetzt.

Unvorteilhafter präsentiert sich indes der ökologische Fussabdruck des Elektroantriebs in der Produktionsphase. «Die Herstellung eines Elektromobils verursacht im Durchschnitt ein Drittel mehr CO2-Emissionen als die Produktion eines konventionellen Fahrzeugs», sagt Rainer Zah. Grund dafür sind die energieintensiven Verfahren zur Herstellung der in Elektroautos verwendeten Lithium-Ionen-Batterien. Es braucht dafür grosse Strommengen.

Stellt man Produktion und Betrieb einander gegenüber, schneiden Verbrennungs- und Elektromotor aus ökologischer Sicht also je einmal besser und schlechter ab. Wie die Gesamtbeurteilung der Elektromobilität im Rahmen der LCA-Studie ausfällt, hängt entscheidend davon ab, woher der Strom für die Produktion von elektrischen Antriebssystemen stammt. Rainer Zah: «Wird der Strom für die Herstellung mehrheitlich aus erneuerbaren Energien wie Wind- oder Wasserkraft und Photovoltaik gewonnen, fällt auch die LCA-Gesamtbilanz des Elektromotors deutlich besser aus als jene des Verbrennungsmotors. Wird der Strom hingegen hauptsächlich aus Kohlekraftwerken mit hohen CO2-Emissionen bezogen, ist die Elektromobilität gegenüber den Benzin- und Dieselautos sogar im Nachteil.»

Elektroautos: Bewegung statt staatliche Subventionen

Die Überzeugung des Wissenschaftlers, dass eine staatliche Subventionspolitik zugunsten der Elektromobilität verfehlt wäre, wird durch die Ergebnisse der LCA-Untersuchungen bekräftigt. «Es liegt an den Autoherstellern selbst, die Ökologisierung und Reduktion der CO2-Emissionen sowohl von Elektro- wie auch Verbrennungsmotoren weiter voranzutreiben.» Dieser Prozess sei auch im Gang. Die Studie geht davon aus, dass sich die durchschnittliche Reichweite von Elektrofahrzeugen mit einer vollgeladenen Lithium-Ionen-Batterie von heute 150 auf rund 500 Fahrkilometer bis zum Jahr 2030 vergrössern wird. Eine Verdreifachung seiner Leistungskraft habe der gleiche Batterien-Typ bereits im ICT-Sektor (z.B. Handybranche) vollzogen, dies einfach in der Zeitspanne von 1990 bis 2010. In der Mobilitätsbranche werde die Lithium-Ionen-Batterie noch eine ganze Weile der Standard bleiben, sagt Rainer Zah. «Vom Durchbruch einer radikal neuen, noch leistungsstärkeren Batterie ist zumindest bis 2030 derzeit nicht auszugehen.»

Viel zur ökologischen Optimierung der Mobilität könne vor allem eine bessere Nutzung beitragen. Dazu müssten die Erkenntnisse der LCA-Studie aktiv angewendet werden. Rainer Zah erklärt. «Weil Benzin- und Dieselautos beim Fahren im Verhältnis viel mehr CO2 ausstossen als bei der Produktion, eignen sie sich aus ökologischer Sicht vor allem für Gelegenheitsfahrer.» Anders bei den Elektroautos. «Sie können ihre nach der Herstellung schlechte Schadstoffbilanz erst aufbessern, wenn sie auch regelmässig auf der Strasse sind und schadstofffrei Kilometer abspulen.»

Wer also einen Tesla kauft, um ihn mehrheitlich in der Garage stehen zu lassen, ist kein Klimaschützer. Eine derartige «Elektro-Immobilität» fügt der Umwelt sogar zusätzlichen Schaden zu. Wird dagegen ein Elektromobil intensiv gefahren, indem es beispielsweise mit der Nachbarschaft geteilt wird, kann sein ökologischer Fussabdruck sogar kleiner werden als jener des öffentlichen Verkehrs.

Zukunft der Elektroautos - Auf dem Weg Richtung Systemwechsel und Energiewende

Alle großen deutschen Autobauer setzen mittlerweile auf E-Mobilität (dpa / Hendrik Schmidt)

"Wenn Sie hier schauen auf den BV1. Das ist ja Europas erster elektrischer 3,5-Tonner."

Wer Roland Schüren über seinen elektrischen Fuhrpark reden hört, könnte meinen, es spricht ein Autohersteller oder zumindest ein Autoverkäufer.

"Sie sehen ja hier, die ganze Technik ist vorne im Fahrerhaus, auch die Batterie ist da und nicht dahinter."

Dabei ist Roland Schüren Bäckermeister und Betriebswirt. Der 53-Jährige leitet die nordrhein-westfälische Bio-Bäckereikette "Ihr Bäcker Schüren", ein Familienbetrieb in vierter Generation. Hier, am Stammsitz in Hilden bei Düsseldorf, zeigt er auf seine großen und kleinen Lieferwagen, viele von ihnen elektrisch betrieben, nur noch wenige mit Erdgas. Besonders stolz ist Schüren auf den erwähnten BV1, das Bakery Vehicle One.

"Der ist ja wirklich einfach gebaut, um auch alles Mögliche daraus machen zu können."

Der Unternehmer hat den Wagen vor gut zwei Jahren eigens kreiert, zusammen mit einer Art Selbsthilfegruppe von ein paar Dutzend, meist mittelständischen Unternehmern, die alle nur eines wollten: Einen praktischen Elektrolieferwagen. Weil ihnen die großen Autobauer aber nichts anbieten konnten, tüftelten sie selbst und fanden mit der Deutschen Post-Tochter Streetscooter einen Hersteller, der den passenden Unterbau lieferte. Eine weitere Firma entwickelte den Laderaum.

Ex-BMW Chefvolkswirt - "Wir produzieren im Moment Elektroautos für Millionäre"

Sowohl Elektroautos als auch Hybridfahrzeuge seien Notlösungen, da die Produktion von Emissionen nur verlagert werde, sagte Helmut Becker vom Institut für Wirtschaftsanalyse. Allerdings habe sich die Politik "voll auf die Elektromobilität geworfen" – für eine Kehrtwende fehle offenbar der politische Mut. Sowohl Elektroautos als auch Hybridfahrzeuge seien Notlösungen, da die Produktion von Emissionen nur verlagert werde, sagte Helmut Becker vom Institut für Wirtschaftsanalyse. Allerdings habe sich die Politik "voll auf die Elektromobilität geworfen" – für eine Kehrtwende fehle offenbar der politische Mut.

"Das ist ein echter 3,5-Tonner mit 1,5 Tonnen Zuladung. Das kriegen sie mit keinem Verbrennungsmotor hin. Jetzt müssen wir ein Stück zur Seite gehen, weil da kommt ein anderes Elektroauto, das hören wir nicht."

Fast lautlos fährt ein weiterer elektrischer Lieferwagen auf das Gelände. Es ist ein Samstagvormittag. Brot, Brötchen und Kuchen sind ausgeliefert, die Fahrzeuge werden jetzt gereinigt und dann für die nächste Tour mit Strom aufgeladen.

"Wir haben ja schon lange nur Erdgasfahrzeuge gehabt und haben jetzt die Erdgasfahrzeuge Zug um Zug auf Elektro umgestellt."

Aufladen nur einmal in der Woche?

Der Bio-Bäcker Roland Schüren macht das nicht nur aus Umweltgründen, sondern auch, weil es sich betriebswirtschaftlich lohnt:

"Elektromobilität ist ein Wirtschaftlichkeits-Booster speziell für Bäckereien."

Statt des teuren Diesels tanken seine Fahrzeuge günstigeren Strom - größtenteils eigens produziert von der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Firmengebäudes.

"Da braucht man keine riesige Ladeleistung. Wir wissen genau, wieviel Kilometer jedes Auto jeden Tag fahren muss zu den Filialen. Die Reichweite ist vollkommen ausreichend."

Mehr als 150 Kilometer fahren die Lieferwagen meistens nicht.

Überhaupt ist die lange verbreitete Sorge, die Batterien sorgten nicht für eine ausreichende Reichweite der elektrisch angetriebenen Fahrzeuge, mittlerweile überholt, meint Matthias Dürr, Leiter des Kompetenzzentrums Elektromobilität NRW.

Im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium erklärt er, dass sich E-Autos mittlerweile nicht mehr nur für Unternehmer wie Bäcker Schüren lohnen:

"Eine durchschnittliche Fahrt eines Autos pro Tag, das sind 40, 50 Kilometer."

Mit den aktuellen Batterien können Elektroautos mindestens sechsmal so weit fahren - 300 Kilometer und mehr. Aufgeladen werden muss dann nur einmal in der Woche.

"Mit der Batterietechnik, das ist eine Erfolgsgeschichte", sagt der promovierte Elektroingenieur und Batterie-Experte Dürr. "Alle Prognosen, die wir vor zehn Jahren und seitdem gestellt haben, wurden übertroffen, was die Kapazitäten angeht, was die Energiedichte angeht, aber auch was die Preise angeht."

Dürrs Kompetenzzentrum Elektromobilität sorgt im Auftrag des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums seit zehn Jahren dafür, das Thema E-Mobilität voran zu bringen.

"Wir brauchen Ladeinfrastruktur und CO2-freien Strom"

"Das klingt jetzt sehr zäh das Ganze, aber verglichen mit der Verbrennungstechnologie oder einem konventionellen Fahrzeug … Zehn Jahre! Der Verbrenner hat 100 Jahre jetzt Vorsprung. Und natürlich ist es da nicht so einfach, jetzt ein Konkurrenzsystem zu entwickeln und natürlich wird sich ein System nur durchsetzen, wenn es neue Vorteile bringt für den Kunden."

Diese Situation sei jetzt erreicht, da ist sich Dürr sicher. Die Batterien bringen akzeptable Reichweiten, die E-Auto-Technik ist ausreichend erprobt, dazu sorgen drohende Diesel-Fahrverbote in den Innenstädten für zusätzlichen Handlungsdruck und nicht zuletzt sinken momentan - mit zunehmender Modellvielfalt - die Preise der E-Autos.

"In den nächsten zwei, drei Jahren werden wir einen exponentiellen Anstieg von neuen Fahrzeugmodellen und damit auch der Verbreitung der Elektromobilität sehen."

Dass mit zunehmender Modell-Vielfalt die Nachfrage steigen wird, davon gehen die meisten Experten aus.

Und tatsächlich setzen alle großen deutschen Autobauer mittlerweile auf die E-Mobilität. Zum Teil sind sie dazu gezwungen, weil die EU vorschreibt, dass die Hersteller ab 2021 über die gesamte Flotte weit weniger CO2 ausstoßen dürfen als momentan. Zum Teil engagieren sie sich in dem Markt aber auch darüber hinaus, wie zum Beispiel VW.

Der Konzern plant im niedersächsischen Salzgitter eine eigene Batteriezellproduktion und baut sein Werk in Zwickau in Sachsen aktuell so um, dass dort ab dem nächsten Jahr die Produktion des ID anlaufen kann, des ersten rein als Elektrofahrzeug konzipierten Autos von Volkswagen. Insgesamt investiert der Konzern damit mehr als zwei Milliarden Euro in seine E-Mobilitätsstrategie.

"Das ist der einzige Weg, die Klimaziele zu erreichen, dem Auto eine Zukunft zu geben, die Mobilität auch in einer CO2-freien Welt zu sichern", sagte VW-Chef Herbert Diess zum Auftakt der diesjährigen Hauptversammlung des Konzerns und mahnte zugleich:

"Elektromobilität ist ein Systemwechsel. Wir brauchen Ladeinfrastruktur und wir brauchen vor allem CO2-freien Strom."

Denn nur, wenn in das Elektroauto CO2-armer Strom fließt, ist das Fahrzeug in seiner Nutzung wirklich klimaschonend. Zwar stößt es lokal, also zum Beispiel bei Fahrten durch die belasteten Innenstädte, weder Feinstaub noch CO2 aus. Wird es allerdings zum Beispiel mit Braunkohle-Strom getankt, fallen andernorts die klimaschädlichen Gase an; unterm Strich ist das Elektroauto dann nicht viel besser als ein Verbrenner.

Damit Elektromobilität auch wirklich das Klima schont, braucht es also zusätzlich die Energiewende, die in Deutschland ähnlich wie der Boom der Elektroautos bisher noch auf sich warten lässt.

Reinhard Kolke, Leiter Test und Technik beim ADAC, untersucht Diesel-Nachrüstung (dpa / Sina Schuldt)

Reinhard Kolke vom ADAC: "Unsere Untersuchungen zeigen, dass wir schon heute mit dem recht schlechten Energiemix in Deutschland, der viel CO2-Emissionen verursacht, rund zehn Prozent besser sind bei den CO2-Emissionen im Vergleich zu den klassischen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Dass wir auf der anderen Seite aber riesen Potenziale haben. Sobald wir zum Beispiel Windkraft, Photovoltaik und andere Erneuerbare Energien einsetzen, sinken die Emissionen bei einem Elektroauto locker um 70 Prozent."

Ziel: Top-Liga der Elektromobilität

Die Herstellung der Batterie darf allerdings auch nicht außer Acht gelassen werden, sagt Kolke, der beim ADAC die Abteilung Test und Technik leitet.

"In der Tat ist es so, dass der ökologische Rucksack der Batterie tatsächlich ein großer ist."

Denn obwohl die Batterien mittlerweile für gute Reichweiten sorgen, belasten sie das Image der E-Autos nun in anderer Hinsicht. Ihre Produktion verbraucht viel Energie und die Rohstoffgewinnung, zum Beispiel von Lithium, passiert zum Teil unter umweltschädlichen Bedingungen. Deshalb ist ein Ziel der aktuellen Batteriezellforschung, den Einsatz solch seltener Rohstoffe zu minimieren oder gar komplett zu ersetzen, erklärt der Leiter des Kompetenzzentrums Elektromobilität NRW, Matthias Dürr:

"Kobalt ist schon reduziert worden um den Faktor 10 in den Batteriezellen. Aber natürlich muss man insgesamt sehen, dass man die Rohstoffketten, die Produktionsketten zertifiziert und guckt, wie man die einzelnen Rohstoffe herstellt und verarbeitet."

Weltweit wird mit Blick auf den zu erwartenden Elektroauto-Boom deshalb aktuell an Alternativen geforscht.

Wer künftig in der Top-Liga der Elektromobilität mitspielen will, müsse auch auf die Batterien schauen, meint der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart, FDP:

"Wir haben jetzt das Glück, im bundesweiten Wettbewerb die Batteriezellforschung nach NRW holen zu können. Das ist eine halbe Milliarde Euro, die die Bundesrepublik Deutschland in den nächsten Jahren für Forschung und Entwicklung bereit stellt über die gesamte Wertschöpfungskette und wir geben zusätzlich 200 Millionen Euro allein in diese Entwicklung, weil wir fest davon überzeugt sind, dass wir bei der Elektromobilität nur dann als Standort Deutschland wettbewerbsfähig bleiben, wenn wir auch in die Batteriezellforschung hineingehen."

Ein anderer, noch ungeklärter Punkt im Lebenszyklus eines Elektroautos ist die Frage, was mit den Batterien nach ihrer Nutzung passiert. Werden sie recycelt und wenn ja, wie? Batterie-Experte Dürr:

"Das ist wie in jeder anderen Industrie, das muss angegangen werden und da sind wir noch am Anfang. Aber da bin ich mir auch sicher, dass man das technologisch lösen kann. Also das ist jetzt kein Thema, was die Elektromobilität aufhalten sollte."

Was allerdings zumindest den Boom der Elektromobilität in Deutschland noch aufhalten könnte, ist die öffentliche Lade-Infrastruktur. Denn statt Benzin oder Diesel tankt ein E-Auto eben Strom, und den gibt es noch nicht an jeder Ecke. Laut dem Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft stehen aktuell mehr als 20.000 öffentliche Ladepunkte in Deutschland bereit. Rein statistisch gesehen, reicht das zwar locker aus, um die rund 100.000 angemeldeten E-Autos in Deutschland regelmäßig zu laden.

Hohe Hürde in der Praxis

Aber wer in ländlichen Regionen oder in Ballungsgebieten mit relativ vielen E-Autos unterwegs ist, dem kann es durchaus passieren, dass er etwas suchen muss, bis er eine freie Ladesäule findet, sagt der Leiter Test und Technik beim ADAC, Reinhard Kolke.

"Unsere Untersuchungen zeigen tatsächlich, dass die existierende Infrastruktur häufig noch Mängel hat, also die Ladesäulen werden nicht gefunden, die Ladesäulen sind nicht betriebsbereit."

Nur an wenigen Ladesäulen können Autofahrer außerdem ganz unkompliziert per EC-Karte bezahlen, die meisten verlangen eine eigene Chipkarte oder Handy-App.

"Teilweise hat man extrem hohe Kosten, obwohl man nur wenige Kilometer lädt. Das heißt, die Einheitlichkeit der Preissysteme ist noch nicht gegeben, so wie ich das heute bei den Tankstellen sehe."

Denn nicht überall ist die Abrechnung nach Kilowattstunde möglich. An vielen Ladesäulen zahlen Nutzer Pauschaltarife - egal, ob sie die Batterie volltanken oder nicht. Um die Ladestationen überhaupt benutzen zu können, muss man sich häufig registrieren.

Allerdings gehen Experten davon aus, dass nur 20 Prozent der Ladevorgänge an solchen öffentlichen Ladepunkten stattfinden, 80 Prozent dagegen am Arbeitsplatz oder in der heimischen Garage. Weil die meisten Autos statistisch gesehen pro Tag ohnehin nicht mehr als 50 Kilometer weit fahren, muss das Auto also gar nicht zwingend unterwegs geladen werden.

Eine Ladestation für Elektroautos auf der Hannover Messe (dpa/ Hauke-Christian Dittrich)

Jedoch: Für zwei Drittel der Deutschen gilt diese Rechnung nicht, denn sie wohnen in einem Mehrfamilienhaus - und haben es mit dem Zuhause-Laden deshalb schwer, räumt Elektromobilitäts-Experte Dürr ein:

"Da arbeiten wir dran, dass wir a) das Arbeitgeberladen verbreiten und das man sagt, okay, ich kann zu Hause nicht laden, aber beim Arbeitgeber. Und b) da wird es neue Geschäftsmodelle geben, dass Parkplätze, Tiefgaragen elektrifiziert werden, wo man sich also eine Monatskarte kaufen kann oder andere Modelle mit einer Karte, dass man in der Umgebung einen Ladeplatz mietet, wo man sein Auto dann auflädt."

Aktuell haben laut ADAC viele Tiefgaragen noch nicht einmal eine herkömmliche Steckdose. Und für die Installation einer Lade-Box, die schnelleres Laden ermöglicht, braucht es die Zustimmung des Vermieters oder der Eigentümergemeinschaft. In der Praxis eine hohe Hürde.

Ernstzunehmende Alternative zum klassischen Verbrenner

"Eigentlich sind jetzt die Akteure aufgerufen hier ihre Hausaufgaben zu machen", fordert ADAC-Test-Leiter Reinhard Kolke und meint damit sowohl die Autohersteller, als auch den Gesetzgeber, die Kommunen und die Politik.

Dennoch: Auch Kolke ist überzeugt, dass das E-Auto mittlerweile eine ernstzunehmende Alternative zum klassischen Verbrenner ist und die Lade-Infrastruktur zwangsläufig besser werden wird. Das E-Auto sei ein ganz normales Fahrzeug…

"… wo man in den ADAC Autokosten schaut: Lohnt es sich für mich hinsichtlich der Reichweite und Kosten im Wettbewerb zum Benzin- und Dieselauto auf das Elektroauto zu setzen. Und viel häufiger kommt man dann anhand unserer Datenbanken zum Ergebnis: Ja, es lohnt sich."

Diese Rechnung hat Familie Hahn in Düsseldorf schon vor einigen Jahren gemacht - und sich ein Elektroauto gekauft, einen "kleinen Flitzer", wie Ilka Hahn das Auto liebevoll nennt.

(Ilka) "Ich finde, es fährt super"

(Tobias) "Ich finde, er fährt viel cooler. Es macht viel mehr Spaß."

(Ilka) "Das ist ja ein sehr kleines Stadtauto und man zieht an der Ampel aber jeden damit ab."

Die beiden Düsseldorfer - Mitte Vierzig, zwei Kinder - leben generell umweltbewusst. Da kam das Thema Elektroauto schon recht früh auf. Aber erst vor zwei Jahren gab es dann wirklich Modelle, die bezahlbar waren und den Anforderungen der Familie gerecht wurden:

(Tobias) "Wir wollten halt schon ein Auto, mit dem man am Wochenende auch mal wegfahren kann, also kein reines Stadtauto."

300 Kilometer Reichweite hat das Elektroauto der Hahns, im Idealfall. Wenn es kalt draußen ist, oder bei Tempo 130 auf der Autobahn sind es weniger. Geladen wird das Auto mit grünem Strom, hauptsächlich in der eigenen Garage, außer die Familie ist für längere Fahrten unterwegs.

(Tobias) "So die ersten zwei Wochenendfahrten, da guckst Du nur auf den Kilometeranzeiger, wieviel Reichweite noch drin ist."

Nicht jeder müsse ein eigenes Auto haben

(Ilka) "Also ich habe es erst zweimal gehabt, dass ich alleine mit dem Wagen länger unterwegs war und nicht zu Hause getankt war oder am Zielort tanken konnte sondern unterwegs tanken musste. Und mich stresst das schon, weil ich nicht nebenher auf die App gucke, sondern an den Rand fahre, in die App gucken muss. Dann gucken muss, ist das eine langsame oder schnelle Tankstelle, ist der Stecker der richtige für mich und klappt das alles."

Die Familie hat für längere Urlaubsreisen noch einen Kleinbus - mit Verbrennungsmotor. Mit dem E-Auto 1000 Kilometer nach Österreich, dafür sei die Batterie des "kleinen Flitzers" dann doch noch zu klein.

"Aber 90, vielleicht auch 95 Prozent der Fahrten kann man damit machen."

Viele Verkehrsexperten sind sich einig: Letztlich müsse man Mobilität nicht nur hinsichtlich ihrer Antriebstechnologie, sondern im Ganzen völlig neu denken. So wird es künftig weniger Autos für alle Fahrten und dafür mehr spezialisierte Fahrzeuge geben: Den Stadtwagen mit geringer Reichweite, leichter Batterie und günstigem Preis, die teurere Familienkutsche für längere Fahrten oder eben den eigens konfigurierten Lieferwagen. Und klar ist:

"Besser als Elektrofahren ist gar kein Auto fahren", sagt Tobias Hahn, der fast jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, während seine Frau mit dem E-Auto von Düsseldorf nach Duisburg pendelt.

Im Kompetenzzentrum Elektromobilität NRW beschäftigen sich Matthias Dürr und seine Mitarbeiter mit diesen Mobilitätskonzepten der Zukunft:

"Eins ist ganz wichtig, wir sprechen ja nicht nur von einer Änderung des Antriebssystems, vom Verbrennungsmotor zum elektrischen, sondern Sie müssen ja berücksichtigen, dass die ganze Mobilität sich ändert, die Art und Weise, wie die Fahrzeuge genutzt werden. Die werden autonome Fahrzeuge. In 10 Jahren wird das in jedem Fall in allen Städten in NRW zu sehen sein. Das heißt, die Fahrzeuge sind ständig unterwegs, sie brauchen nicht so viel Parkraum."

Nicht jeder Erwachsene müsse mehr ein eigenes Auto haben.

"Geteiltes Fahren, Ride Sharing, Car Sharing, das sind so Ansätze, wo man sagt: So ein Fahrzeug sollte nicht nur von einer Person genutzt werden, sondern durch intelligente Vernetzung der Nutzer kann man Mobilitätsdienstleistungen bündeln und zusammenbringen, kostengünstiger machen."

"... elektrisch fahren eigentlich deutlich günstiger"

Dieses Gesamtpaket - weniger Autos, die aber allesamt sauberer sind - werde dann auch einen messbaren Unterschied für das Klima und die CO2-Bilanz machen.

"Von der Gesellschaft ist ganz klar: Jeder möchte was Gutes für die Umwelt tun, und da ist die Elektromobilität in Verbindung mit den Erneuerbaren Energien der richtige Schritt. Es ist nicht die Antwort für die Verkehrswende, sondern wir sagen immer: Elektromobilität ist die Basistechnologie."

Zurück in Hilden bei Düsseldorf. Mittlerweile sind fast alle Lieferwagen von Bäcker Schüren zurück und werden für die nächste Liefertour geladen. Am Firmensitz, neben der Backstube, haben sich derweil zwei Dutzend Elektroauto-Fahrer und -Fahrerinnen zusammengefunden, zum samstäglichen Elektroauto-Stammtisch.

Elektrische Lieferwagen BV1 von der Bäckerei Schüren (Ihr Bäcker Schüren)

Unternehmer Schüren hat nämlich nicht nur für sich und seine Lieferflotte gesorgt, er betreibt auch mit 15 Ladeplätzen einen der deutschlandweit größten privaten Ladeparks. Rene Schlautmann aus Duisburg lädt dort gerade seinen Wagen auf.

"Da kann man auch einfach nur jedem empfehlen, der noch kein E-Auto hat, einfach hierhin zu kommen."

"Ich habe mein Auto extra so versichert, dass jeder damit fahren darf", sagt Sebastian Kreiten aus Köln, der regelmäßig samstags nach Hilden fährt. Er kann sich nichts anderes mehr vorstellen, als elektrisch zu fahren.

"Also unterm Strich, wenn man es vergleicht, ist elektrisch fahren eigentlich deutlich günstiger."

"Ich fahre jetzt seit vier Jahren, bin ich elektrisch unterwegs und ich habe noch keinen erlebt, der gesagt hat, ich habe das bereut, die Entscheidung", meint auch Sören Corbach. Rene Schlautmann und Guido Ewert stimmen ihm zu:

"Weil’s Spaß macht" - "Richtig, weil es einfach Spaß macht. Also, man muss es einmal erlebt haben, sage ich mal, und dann ist man davon irgendwie geflasht, und auch aus Umweltgründen, ich möchte auch nie wieder zurück."

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