Dem Elektroauto gehört die Zukunft – doch die beginnt erst richtig in 15 Jahren

Weiden/Amberg. Die Kraftstoffpreise explodieren förmlich. Gibt es keine Alternative zu Diesel und Benzin? Doch: die Elektrotraktion. Ihr gehört die Zukunft, ist Professor Dr. Peter Kurzweil überzeugt. Das Problem: es wird noch dauern.

Von Theo Kurtz

Professor Dr. Peter Kurzweil von der OTH Amberg-Weiden Foto: Theo Kurtz

Moskau spielt am Gashahn. Die ersten, die es erwischt hat, sind Polen und Bulgarien. Und auch Deutschland muss Bundeskanzler Olaf Scholz zufolge auf einen russischen Energiestopp vorbereitet sein. Berlin sendet zudem Signale aus, sich an einem Boykott für Erdöl beteiligen zu wollen. Diese Gemengelage treibt die Preise nach oben. Wer jetzt mit bangem Blick auf die Versorgungszukunft seine Heizöltanks vollmacht, muss tief in den Geldbeutel greifen.

Gibt es Alternativen zu fossilen Brennstoffen? Können wir Autofahren, ohne sündteures Superbenzin oder Diesel zapfen zu müssen? Da kommt natürlich die E-Mobilität ins Spiel. OberpfalzECHO hat sich dazu mit Professor Dr. Peter Kurzweil unterhalten. Er lehrt und forscht in den Bereichen Chemie, Umweltanalytik und Toxikologie an der Technischen Hochschule Amberg-Weiden.

Ist der E-Motor tatsächlich das Antriebsaggregat der Zukunft?

Kurzweil: Ja, langfristig. Der Elektroantrieb ist einfacher aufgebaut als ein konventioneller Antrieb. Und: Elektroautos versprechen vor dem Hintergrund der Klimadebatte eine Schadstoffreduktion, für CO₂ je nach Kraftwerkstechnik und in jedem Fall für Stickstoffoxide und krebserzeugende Partikel. Sogenannte Hybridfahrzeuge kombinieren auch Verbrennungsmotor und Elektroantrieb, wenngleich nicht in allen Varianten vorbildlich für Umweltschutz und Energieeinsparung.

„Elektro“ bedeutet Zukunft für unser Land: Batteriefahrzeuge erobern soeben hoffnungsvolle Marktzugänge für die Elektrotraktion. Neue Batterie- und Halbleiterfabriken entstehen in Deutschland und schaffen Arbeitsplätze. Im Hinblick auf selbstfahrende Autos und Fahrzeugkommunikation wird unsere Industrie den verschlafenen Eintritt in die Elektrotraktion und die vorübergehende Beerdigung Brennstoffzelle wettmachen.

Sie sprechen von langfristig. Das heißt, die E-Mobilität wird uns nicht rasch mehr Unabhängigkeit von Diesel und Benzin verschaffen?

Kurzweil. Nein, wir werden bestimmt noch 15 Jahre brauchen, bis wir die entsprechenden Infrastrukturen aufgebaut haben. Zum Beispiel die Energieverteilung von der hauseigenen Solarzelle zum Elektroauto in der Garage. Aber es hat ja auch schließlich 30 Jahre gedauert, bis die erste Lithiumbatterie entwickelt worden war.

Wie umweltfreundlich ist das E-Auto auch mit Blick auf die Batterie-Produktion nun wirklich?

Kurzweil: Eine umfassende Ökobilanz dazu gibt es noch nicht. Vernünftigerweise werden die Hersteller frühzeitig ein Recyclingsystem für Batterien und Komponenten aufbauen. Wir dürfen nicht weitere Jahrzehnte lang werthaltige Abfälle verschwenden, deponieren und verbrennen. Die stoffliche Nutzung von Reststoffen muss intensiv erforscht und genutzt werden. Auch dies schafft Arbeitsplätze, unter anderem in der Chemieindustrie, sogar in der Oberpfalz.

Gibt es überhaupt ausreichend Rohstoffe und seltene Erden dafür – ohne dafür gleich wieder in eine Abhängigkeitsfalle zu tappen?

Kurzweil: Eine moderne Batterie braucht Lithium, das übrigens nicht zu den seltenen Erdmetallen zählt. Deutschland sucht verlässliche Quellen in Südamerika und anderen Teilen der Welt. Einen Teil des Lithiumbedarfs können möglicherweise deutsche Thermalquellen decken – und natürlich das angesprochene stoffliche Recycling. Mit Lithiumeisenphosphat und Lithiummanganspinell ist die cobaltfreie Batterie schon heute kommerziell verfügbar.

Grafit für die negative Elektrode kann auch in Deutschland gewonnen und verarbeitet werden. Als gar nicht so ferne Vision leuchtet die Natriumionen-Batterie, an der weltweit geforscht wird, und die mit bayerischem Salz irgendwann ein heimisches Produkt würde. Seltene Erdmetalle spielen eine Rolle für Elektronikkomponenten und beispielsweise die Magnete in Elektromotoren, die man jedoch notfalls auch auf Basis von Eisenmetallen bauen kann. Eisen, Cobalt und Nickel sind ebenfalls Importgüter, aber leichter verfügbar.

Gibt es reelle Chancen, mit einem E-Auto auch mal 800 Kilometer am Stück zurückzulegen? Bislang ist die geringe Reichweite ja neben der geringen Ladesäulendichte, noch immer ein zentrales Problem.

Kurzweil: Ja, es ist eine Frage der Speicherdichte. Eine Lithiumionenbatterie schafft heute 140 Wh/kg und mehr. Technologisch werden 250 bis 300 Wh/kg anvisiert. Damit würde die Batterie halb so schwer sein wie heute beziehungsweise die Reichweite erheblich länger. Für lange Reisen eignet sich besser die Brennstoffzelle, die eine Renaissance erleben wird, wenn ausreichend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht.

Auch sollten wir gesellschaftlich die Frage stellen, ob jeder Haushalt ein eigenes Auto braucht, wenn erst selbstfahrende Taxis preiswert überall verfügbar sind. Wie Wagons in einem langen Zug würden die Fahrgastzellen über die Straßen gleiten und sich am Bestimmungsort ein und ausklinken. Ganz Europa wäre quasi im öffentlichen Nahverkehr erreichbar.

Werden E-Autos für Otto-Normal-Verdiener einmal „erschwinglich“?

Kurzweil: Vermutlich ja und in absehbarer Zeit. Bei den gewaltigen Technologiesprüngen wie in diesem Jahrhundert werden die Hersteller aber zunächst ihre Entwicklungskosten über ordentliche Verkaufserlöse hereinholen wollen. Es geht gut los: Tesla erzielte im ersten Quartal 2022 einen Rekordgewinn von 3,3 Milliarden Euro. Eine zu frühe und unüberlegte Billigproduktion würde weitere Innovationen abwürgen und asiatischen Anbietern Vorteile verschaffen. Die deutsche Industrie muss durch ordentliche Technik überzeugen, darin liegt ihre Stärke.

Nach über 100 Jahren: Elektrofahrzeuge wieder auf dem Vormarsch

Keine Abgase, kein Lärm und keine hässlichen Tankstellen, sondern leise, saubere Autos, die mit erneuerbarer Energie statt mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden. Das mag wie ein Bild aus der Zukunft klingen, aber wir hatten dies schon einmal. Vor über einem Jahrhundert waren es Elektromotoren, die die Pferdekutschen ersetzten. Elektromobilität wird im 21. Jahrhundert nicht erfunden, sie wird wiederbelebt.

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Die Geschichte des Automobils ist geprägt von Auspuffrohren, Benzinpumpen und Dieselabgasen. Im 20. Jahrhundert hatte man Elektromobilität kaum auf dem Radar. Der aktuelle Trend zur Elektromobilität scheint beispiellos zu sein, aber die Vergangenheit erzählt eine andere Geschichte. Eine Geschichte, die wir aufgrund der Vorherrschaft der fossilen Kraftstoffe im 20. Jahrhundert vergessen hatten.

Die bevorzugte Wahl

Bereits 1881, fünf Jahre bevor Carl Benz das erste Auto mit Verbrennungsmotor patentierte, stellte der französische Erfinder und Ingenieur Gustave Trouvé sein erstes Elektrofahrzeug vor. Es schaffte zwar nur 12 Stundenkilometer, aber wenig später folgten schnellere Modelle. 1889 überschritt ein batteriebetriebener Rennwagen als erstes Fahrzeug der Welt die Geschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde. Das Elektroauto war im Begriff, die Welt der Mobilität zu verändern.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es allein in den USA mehr als 60.000 batteriebetriebene Autos. Während das Pferd immer noch das beliebteste Verkehrsmittel war, erfreuten sich Elektrofahrzeuge immer größerer Beliebtheit. So sehr, dass sie zu Beginn des Ersten Weltkriegs gegenüber benzin- oder dampfbetriebenen Fahrzeugen bevorzugt wurden. Feuerwehr, Postzusteller und Stadtbewohner, sie alle fuhren elektrisch. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. hatte sogar mehrere Elektrofahrzeuge in seinem Fuhrpark. Er zog sie den, wie er es nannte, „stinkenden Benzinautos“ vor.

Die Elektrofahrzeuge hatten eine Reichweite von 80 Kilometern mit einer vollen Batterie, waren leise, fuhren geschmeidig und der Motor musste zum Starten nicht angekurbelt werden. Einige Modelle verfügten über eine elektrische Innenbeleuchtung, Scheinwerfer und manche sogar eine Fußbodenheizung. Benzinfahrzeuge hingegen erforderten viel Kraftaufwand beim Fahren, mussten mit einer Handkurbel gestartet werden und erzeugten viel Lärm und Abgase. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schien Elektrizität die Zukunft zu prägen.

Elektro-Lastwagen, ca. 1950 Quelle: Bewag-Archiv

Der Niedergang

Warum sind wir also jemals von der Elektromobilität abgerückt? Ironischerweise trug eine elektrische Erfindung dazu bei, die Vorherrschaft von Elektrofahrzeugen zu beenden. 1911 entwickelte der amerikanische Erfinder Charles Kettering, der auch frühe Versionen des Marschflugkörpers und der elektrischen Registrierkasse entwickelte, ein elektrisches Zündsystem für Fahrzeuge. Damit konnten Benzinmotoren ohne Kurbel gestartet werden und ebenso leicht und schnell wie ihre elektrischen Konkurrenten losfahren.

Höhere Geschwindigkeiten, niedrige Ölpreise und eine clevere Marketingkampagne für benzinbetriebene Fahrzeuge führten nach 1920 zu einem drastischen Rückgang der Entwicklung von elektrischen Personenkraftwagen. Mit jedem Jahr, das verging, gewöhnte sich die Welt mehr und mehr an eine mit fossilen Brennstoffen bewegte Gesellschaft. Es dauerte nicht lange, bis Elektromotoren nur noch in Golfcarts und Gabelstaplern zu finden waren.

Der wachsende Wohlstand nach dem Zweiten Weltkrieg führte zu einem Anstieg der Zahl der Personenkraftwagen. Bald konnte sich fast jeder Haushalt ein Auto leisten. Und der Gedanke, dass ihr neues Fahrzeug elektrisch sein könnte, kam ihnen gar nicht in den Sinn. Jahrzehntelange Forschungsarbeit und die Entwicklung von Verbrennungsmotoren machten das Elektrofahrzeug zu einem Gegenstand, der nur in dystopischen Comics und Filmen zu finden war.

Krise des Verbrennungsmotors

Doch dann bekam die Vorherrschaft des Verbrennungsmotors erste Risse. Die Ölkrise in den 1970er Jahren und das wachsende Umweltbewusstsein durch die Klimakrise ließen das Interesse am elektrischen Fahren wieder aufleben. Die Entwicklung verlief nach der Einführung des Hybridautos um die Jahrtausendwende rasant. Von diesem Zeitpunkt an flossen die Forschungs- und Entwicklungsbudgets in Elektroautos. Das war der Anfang vom Ende des mit fossilen Brennstoffen betriebenen Autos.

Das Innere eines Toyota Prius mit Hybridantrie Quelle: Louwman Museum

Auch wenn der Anteil der Elektroautos in Europa noch im einstelligen Bereich liegt, ändert sich dies schnell. In einigen europäischen Ländern werden bereits mehr Elektroautos als mit fossilen Kraftstoffen betriebene Fahrzeuge verkauft. Was vor 100 Jahren mit den Elektroautos geschah, wiederholt sich nun in umgekehrter Richtung.

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Wie funktioniert ein Elektroauto?

Elektroautos fahren mit der Kraft aus der Steckdose. Sie werden von einem Elektromotor angetrieben, der seine Energie aus wiederaufladbaren Batterien erhält. Die Akkuzellen speichern die Energie chemisch und sind anstelle eines Tanks unter den Rücksitzen oder im Kofferraum montiert.

Maßgeblich für die Leistung von E-Autos ist neben dem Elektromotor, welche Maximalleistung die Batterie abgeben kann.

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